Durch eins der beiden an der Nordseite liegenden Schalllöcher wurde nun am 7. und 8. August eine Glocke nach der anderen mittels eiserner Schienen nach außen geschoben und heruntergestürzt. Merkwürdigerweise kamen sie fast alle unbeschädigt unten an; nur der Glocke Nummer 2 war durch Anstoßen an das Eisengitter einer der Engelsköpfe abgebrochen; auch grub sich diese Glocke etwa einen halben Meter tief in die Erde ein, während die folgenden Glocken nur wenig in den Erdboden einsanken.
Die allein noch übrig gebliebene größte C-Glocke diente unserer Gemeinde in Freud und Leid bis zum 3. November, wo sie einen alten Salzufler Bürger, dem Kirchenältesten Conrad Barkhausen, das letzte Geleit gab.
Auch die letzte Glocke nicht mehr zu gebrauchen
Zunächst bestand einige Hoffnung, durch Hinzukauf zweier kleinerer Bronzeglocken den alten, fröhlichen C ‑ Durdreiklang C‑E‑G wiederherzustellen. Bei der großen Gebefreudigkeit unserer Gemeindeglieder hätten die außerordentlichen Kosten kein unüberwindliches Hindernis gebildet.
Leider stellten sich aber bei gründlicher Prüfung der vorhandenen Glocke zwei erhebliche Mängel heraus; unter anderem war der Ton nicht ganz rein. Infolgedessen war keine der in Betracht kommenden Glockengießereien bereit, eine Garantie für Schaffung eines harmonischen Geläutes zu übernehmen. So mussten wir die Schaffung eines völlig neuen Geläutes in das Auge fassen.
Zur Wahl standen Schillingsche Klangstahl und Bochumer Gussstahl-Glocken. Erstere waren wenig empfehlenswert wegen ihres außerordentlich hohen Gewichtes und großen Durchmessers. So entschied sich der Kirchenvorstand nach langen, ernsten Beratungen für ein Geläut aus Bochumer Gussstahl. Ausschlaggebend waren bei diesen Entschluss folgende Feststellungen des Glockensachverständigen Professor Biele-Charlottenburg:
„Stahlglocken von kleinerem Durchmesser, also höheren Tone klingen nicht immer gut; je tiefer der Schlagton, desto schöner der Klang einer Stahlglocke.“- Als Gesamturteil über das Verhältnis der Stahlglocke zur Bronzeglocke kann gesagt werden: „In der Höhe ist die letztere durchaus überlegen; in der Mittellage sind die beiden einander gleichwertig; in der Tiefe überragt die gutgegossene Stahlglocke ihre Schwester aus Bronze. Die neueste Stahlgusskunst ist imstande, Stahlgeläute herzustellen, die völlig frei von jeder Herbheit des Klanges, ja von so rundem, vollem und weichem Tone sind, dass beim Zusammenläuten mit Bronzeglocken ein Unterschied nicht festzustellen ist. Das Wogen und Wallen der Tonmasse der Bronzeglocken wird ersetzt durch die Größe des Tones und die majestätische Ruhe im Klange des Stahlgeläutes.
Noch ein weiterer Fortschritt ist letzthin erzielt worden: Man kann jetzt mit mathematischer Sicherheit vorausberechen nicht nur den Schlagton, den eine zu gießende Glocke haben soll, sondern auch die ganze Reihe der mitklingenden Nebentöne., welche dem Geläut seine Majestät verleihen. Die früher weit verbreitete Meinung, die Stahlglocke sei nur ein minder guter Ersatz für Bronzeglocken, ist nach dem allen heut durchaus überholt und abgetan. Die Fachleute sind, nachdem der Stahlguss zu so hohem Grade der Vollkommenheit gelangt ist, des Lobes voll über das, was auf diesem Gebiete Wissenschaft und Technik in engsten Zusammenwirken erreicht haben.“
Diese Feststellungen fand der Kirchenvorstand durchaus bestätigt bei einen vom Bochumer Verein veranstalteten Probeläuten.
Die riesigen Maße unseres Turmes legten uns bei der Wahl der Töne keine Schranken auf. So konnten wir mit dem vorhandenen Geläut der lutherischen Gemeinde hier eine Glockengemeinschaft bilden durch Wahl der Töne A ‑ C ‑ D.
Einige Angaben über Maße und Gewichte der neuen Glocken:
- Die größte A-Glocke hat einen unteren Durchmesser von 2 m, eine Höhe von 1,75 m, ein Läutegewicht von 85 Centnern.
- Die mittlere C-Glocke. Durchmesser 1 ¾ m, Höhe 1,48 m, Läutegewicht 48 ½ Centner.
- Die kleine D-Glocke. Unterer Durchmesser 1 ¼ m Höhe 1,31 m, Läutegewicht 35 Centner.
Autor: Gustav Krumme
Aus: Festschrift »600 Jahre Stadtkirche Bad Salzuflen«